Gescheiterte Projekte

Die Utopie steckt bereits in dem Namen "Phantombüro", den sich die Gruppe im Jahr 1997 gegeben hat. Er ist ein Kommentar auf die ständig wechselnden Bedingungen, die das Arbeitsfeld der "Thematisierung von öffentlichem Raum als Rahmenbedingung für soziale Interaktion" mit sich bringt. Neben Ausstellungen wurden auch Konzerte, Performances, Lesungen, Vorträge, Partys, etc. ... veranstaltet und von der Presse wurde Phantombüro gefeiert. Die Gruppe definiert sich über den Raum, der zusammen angemietet wird. Darin entstehen verschiedene Raumgestaltungen, die von einzelnen Mitgliedern betreut und durchgeführt werden. Die Aufträge aus anderen Städten wurden oft von kleineren Gruppen bestritten, einzelne Künstler haben schon früher zusammengearbeitet. Die Erscheinung dieser Werke summiert sich jeweils unter dem Label "Phantombüro".

Zum Thema zeigen wir nun einige Projekte die bis zur Gründung des Phantombüro 1997 und darüber hinaus geplant, aber nie realisiert wurden.

Zum Beispiel entwarfen Daniel Milohnic, Dirk Paschke und Martin Feldbauer im Jahr 1997 eine temporäre Skulptur auf dem Vorplatz der Kunst- und Ausstellungshalle Bonn. Das Projekt bestand aus zwei Baukranen, fünf Abrißkugeln und einem Bagger. Durch die Bewegung einer der äußeren Kugeln entsteht eine dynamische Übertragung der Energie auf die anderen vier Kugeln. Dieses Pendel der Abrißkugeln erinnert an ein 70´er Jahre Managerspiel und läßt dabei eine politische oder alltagskritische Interpretation offen. Das geplante Vorhaben scheiterte aufgrund der von Dr. Wenzel geäußerten Befürchtung die Politiker im benachbarten Gebäude könnten sich durch das Glockenspiel gestört fühlen. Außerdem ist es bis heute nicht leicht einen Sponsor für das Projekt zu finden.

Statik Rainer Schmidt
Projekt Crane Milohnic / Paschke 1997

 

Zeichnung von Peter Frank
Projekt Crane 1997
Einzelbild aus einer Computeranimation

Ein weiteres gescheitertes Projekt war das Nomadenkino beim Bildhauersymposium Heidenheim, geplant von Martin Feldbauer, Zoltan Laszlo, Daniel Milohnic und Dirk Paschke im Jahre 1997. Bei einem Spaziergang durch Heidenheim fiel uns das ehemalige Gloria Kino auf. Unsere ursprüngliche Idee war das Kino wieder zu einem öffentlichen Raum zu machen und dort ein Environment, kombiniert mit einem Kinoprogramm, zu erarbeiten. Diese Reaktivierung war nicht möglich, da der Kinosaal bereits als Ärztehaus umgenutzt war. Wir wollten nun das Neonschild des Kinos "Gloria", auf einem fliegenden Bau im öffentlichen Raum spiegelverkehrt installieren. Fliegende Bauten (heute Messestände, Containersiedlungen, mobil homes) leiten sich von Nomadenzelten, Zirkuszelten (fahrendes Volk), aber auch beweglichen Kinos, Wanderkinos, die es in Deutschland bis in die 60er Jahre hinein gab, ab. Durch unser Projekt sollte einerseits an ein Stück Kinokultur erinnert werden, andererseits sollte das nomadische, flüchtige, temporäre in Gestalt des zeltartigen Bauwerks Einzug halten. Durch die spiegelverkehrte Hängung der Schrift sollte beim Betrachter eine Irritation erzeugt werden, erst vom Inneren des Zeltes, durch ein Fenster im Dach wäre es möglich, die Schrift richtig herum zu lesen.Von außen gesehen wirkt das spiegelverkehrte Neon ähnlich fremd wie arabische Schrift und könnte wieder mit Wüstennomaden assoziiert werden. Der Innenraum des Zeltes sollte als nomadische Szenerie gestaltet sein. Wir wollten Fundstücke aus der Stadt (Sperrmüll etc.) dazu benutzten, der Raum sollte beheizt werden und multifunktional einsetzbar sein. Wir wollten durch die Installation im Zelt eine ambivalente Atmosphäre erzeugen, sowohl fremdartig (Nomaden in der Stadt), als auch vertraut (örtliche Fundstücke) sollte die Anmutung sein. Wir bekamen zwar einen Sonderpreis von der Jurie ausgehändigt, jedoch bestand von Seiten der Organisatoren kein Interesse das Projekt zu realisieren. In der Presse wurde die Befürchtung geäußert, Obdachlose könnten sich in dem Zelt einnisten und die Sicherheit dadurch nicht gewährleistet werden.

 

Modell Nomadenkino
Projekt Gloria
Feldbauer/Laszlo/ Milohnic/Paschke

Marktplatz Heidenheim Projekt Gloria Feldbauer / Laszlo / Milohnic / Paschke

Im Jahr 1999 wurden Daniel Milohnic und Dirk Paschke zur Errichtung einer Skulptur für die Expo 2000 in Hannover eingeladen. Mit großem Aufwand wurden mehrere Vorschläge ausgearbeitet, leider kam es jedoch nicht zur Realisation eines Projekte. Wir möchten hier nur zwei der gescheiterten Vorschläge erwähnen, da es sonst den Rahmen des Kataloges sprengen würde. Das Projekt ³Tentakel² bestand aus der Errichtung einer dreidimensionalen Hausfassade mit bunten Schuttröhren, die aus den Fenstern kraken. Diese Skulptur sollte vor einer 25 meter langen Kulisse aus dem 2. Weltkrieg stehen. Das Projekt scheiterte an der Standortvergabe.

 

Ein weiteres Vorhaben auf der Expo trug den Titel ³Die Strasse ist die Tribüne des Volkes². Auf der Expo 2000 sollte eine Skulptur entstehen, die Demonstrationen als Massenmedium thematisiert. Bilder von Demonstrationen sind gleichsam archetypisch mit dem 20. Jahrhundert verbunden. Nachdem politische Äußerungen auf der Strasse in den 90er Jahren als obsolet galten, erleben wir im neuen Jahrhundert möglicherweise eine Renaissance dieser Ausdrucksform. Z.B. die Love - Parade in Berlin oder die Anti - Haider Demonstration in Wien. Obwohl bei der Wiener Demonstration moderne Kommunikationsmittel wie Mobiltelefone, von den Demonstranten zur Verständigung eingesetzt wurden, bleibt doch die visuelle Anmutung durch Transparente, Banner, Schilder, Luftballons etc. erstaunlich ähnlich zu bekannten Bildern, bis zurück zur Jahrhundertwende 1900. Unsere Überlegungen gingen davon aus, wie es möglich ist den erwarteten Besucherstrom der Weltausstellungen in ein dreidimensionales Bild mit einzufügen. Durch die Transparente und Banner wird ein solches Bild quasi als Collage in der Realität erzeugt. Die Transparente können als Leerstelle verstanden werden. Es sollen weniger Statements abgegeben, als vielmehr Fragen aufgeworfen werden. Wofür stehen wir ein, wofür lohnt es sich auf die Strasse zu gehen, wie sehr sind wir Teil einer Masse, wie verändert sich unser Agieren unter gruppendynamischen Prozessen. Über Demonstrationen als Massenmedium wird heute in erster Linie durch das Massenmedium Fernsehen berichtet. Daher wollten wir einen View - Point aufbauen, von dem aus das Geschehen durch Stand ­ by Video als Fernsehbild zu sehen ist. Uns ist es als Bildhauer wichtig die Gestalt eines Bildes nur soweit zu entwickeln, das durch gedankliche Arbeit, Assoziationen und historische Erinnerungen, der Betrachter die Gesamtschau ergänzt und vervollständigt. Mit der heutigen Medientechnologie ist es möglich leere Transparente einer Demo in Echtzeit mit Parolen zu versehen, ohne das wir die Echtheit dieser Bilder anzweifeln würden. Ein Beispiel hierfür ist virtuelle Bandenwerbung bei Fußballspielen. Die Banden am Spielfeldrand die heute noch mechanisch bewegt werden und als Werbeflächen dienen, werden bald von computergenerierten Banden abgelöst, die z.B. in verschiedenen Sprachen eingesetzt werden, je nachdem in welche Länder ein solches Spiel übertragen wird.

 

 

gescheitertes Röhrenhaus
Projekt Tentakel Expo 2000
Milohnic / Paschke
 
 

Demobild 1
Projekt Demo Expo 2000
Milohnic / Paschke
 

Demobild 2
Projekt Demo Expo 2000
Milohnic / Paschke

Es gab noch ein weiteres Ausstellungsprojekt von Daniel Milohnic und Dirk Paschke, die Jerusalem Bienale 1999, welche nicht direkt scheiterte, jedoch unter verschärften Bedingungen stattfand. Bei der Besichtigung des Geländes ´Sultans Pool´ fanden wir einen blauen Wasserkanister. Da dieser Ort früher ein Wasserreservoir gewesen war hatten wir beschlossen aus diesen Kanistern einen simulierten Wasserfall auf dem Platz zu installieren. Nachdem wir dies alles geplant hatten wurde die Ausstellung um ein Jahr verschoben. In dieser Zeit machte uns ein Freund auf einen Katalog aufmerksam, in dem eine Arbeit des schottischen Künstlers Ron O´Donnel abgebildet ist. Er hatte bereits 1990 aus blauen Evian-Wasserflaschen in einer Galerie einen Wasserfall gezeigt. Tja, das nennt man Künstlerpech. Wir haben jetzt brieflich Kontakt mit Ron aufgenommen, weil wir es interessant und ein wenig unheimlich fanden, dass jemand so ähnlich arbeitet wie wir. Wir überlegten was wir mit dem Material Wasserkanister sonst hätten formen können. Zum Beispiel eine grosse Welle, einen Wasserstrudel oder einen Eisberg. Hinzu kam das wir vor Ort in Jerusalem nur blaue und weiße Kanister erhielten, wodurch bei der Anmutung der Skulptur der Verdacht aufkam es könnte sich um eine zionistische Verschwörung handeln, denn das Objekt erinnerte mehr an die israelische Flagge denn an einen Wasserfall. Eine, angesichts der Wasserprob-lematik in der Wüste und der angespannten politischen Dimension des Ausstellungsortes, brisante Thematik.

 

 

 

1.Mose 7.17 Und die Sinflut war vierzig Tage auf Erden, und die Wasser wuchsen und hoben die Arche auf und trugen sie empor über die Erde.

1.Mose 7.24 Und die Wasser wuchsen gewaltig auf Erden hundertundfünfzig Tage.

 

Wasserfall
Daniel Milohnic und Dirk Paschke
Jerusalem Bienale 1999
 
 

the waterfall
Ron O´Donnel 1990 Edinburgh
collection of the artist

Skizze Wasserfall
Daniel Milohnic und Dirk Paschke Jerusalem Bienale 1999
Das Problem in einer fremden Stadt zu scheitern blieb Phantombüro jedoch auch in der Heimat nicht erspart. Eines der Projekte die nicht realisiert wurden aber dennoch zu einigem Ruhm verhalfen war die geplante Umnutzung des Daches eines Parkhauses in der Frankfurter Innenstadt. Inmitten einer interessanten Hochhausarena gelegen, besteht hier die Möglichkeit, den zum Abriß bestimmten Bau einer temporären Nutzung zuzuführen. Durch landschaftsarchitektonische Ergänzungen kann ein öffentlicher Platz auf dem Parkhaus entstehen. Er erhält seinen Reiz durch den Ausblick auf die Skyscraper und die Abwesenheit von Autos. Die hektische Büronutzung des Bankenviertels tritt mit der Atmosphäre des Parks in Kontrast. Trotz verschiedener Berwerbungen kam es leider nie zur Realisierung des Park Haus, dennoch konnte Phantombüro bei Vorträgen immer wieder beispielhaft auf dieses Vorhaben verweisen.

Zeichnung Christoph Kremer Projekt Park Haus 1999 Phantombüro/Kremer/Schmidt

 

Projekt Park Haus 1999 Phantombüro/Kremer/Schmidt

 

Die gescheiterten Projekte werden mit zunehmender Dauer zu utopischen Ideen, deren Realisierung in weite Ferne rückt. Noch besteht die Möglichkeit, denn das Parkhaus steht weiterhin leer im Zentrum Frankfurts, jedoch ist Phantombüro bereits mit einem neuen Vorhaben, der Umnutzung des ehemaligen Thurn & Taxis Palais in Frankfurt beschäftigt. Es wird sich noch herausstellen ob es sich dabei um eine Utopie oder ein realisierbares Vorhaben handelt .

 
 

 

Weitere Informationen zu diesen und weiteren Projekten sind unter www.phantombuero.de im Internet abrufbar.